KRAUSEKRAUSE
Maler ° Bildhauer


Exposé zu den neuen Skulpturen
von KRAUSEKRAUSE

Dr. Hubert Begasse
Kunstwissenschaftler
Universität Paris-Sorbonne


Dieses Exposé soll den Dialog mit dem Künstler herstellen und Einblicke in konzeptuelle Anliegen KRAUSEKRAUSE´s
vermitteln. Durch den Bezug zur Kunsthistorie soll das Außergewöhnliche dieser Arbeiten verdeutlicht werden.

KRAUSEKRAUSE hat sich in den vergangenen Jahren
seiner künstlerischen Praxis wiederholt als Maler und
Bildhauer hervorgetan. Der konzeptuelleAnsatz zu den
hier behandelten Plastiken ist bereits vor vielen Jahren
festgeschrieben worden und durch intensive Ausein-
andersetzung mit der Problematikzu einer Realisierung
gebracht worden.
KRAUSEKRAUSE´s Intentionen implizieren bildhauer-
ische Fragestellungen, Themen der Rezeption von Plastik
im allgemeinen sowie philosophisch, weltanschauliche
Anliegen.

Zusammenfassend sei folgendes festgehalten:
KRAUSEKRAUSE stellt mit seinen neuen Arbeiten
zum einen das Prinzip der Wirklichkeitsbetrachtung des
Auges in Frage. Veränderte Perspektiven der Beschäf-
tigung mit Plastik sind somit eröffnet. Dies kennzeichnet
zweifellos eine neue Entwicklung für die Bildhauerei.

Die Beschreibung einer Arbeit wird dies verdeutlichen.
Die lebensgroßen, von Verletzungen gezeichneten
menschlichen Figuren sind in eine zunächst widersinnig
anmutende Räumlichkeitgestellt. Im Zentrum der
Installation steht eine Figur kopfüber in ca. sechs Metern
Höhe auf einem Metallgitterrost, das an den Eckpunk-
ten mit dünnen Stützen im Boden verankert ist. Eine
statische Meisterleistung, bedenkt man das Gewicht
der Figur.

Verblüffend ist, daß diese Figur nicht der Schwerkraft
folgend auf der Erde steht und somit die Vertikale zur
Horizontale des Bodens bildet, sondern in einem fragilen
Gleichgewicht auf ihrenSturz zu warten scheint. Asso-
ziativ mag man an Menschen denken, die im Zustand
der Schwerelosigkeit kopfüber an der Deckegehen. Der
Ausdruck dieser verletzten Figur selbst vergegenwärtigt
sinnbildhaft die Zerrissenheit des heutigen Menschen.

Die Problematik der Leere zwischenmenschlicher Bezie-
hungen hat KRAUSEKRAUSE in unterschiedlichen
künstlerischen Disziplinen umgesetzt. In seinen neuen
plastischen Arbeiten ist der Künstler zu einer Klarheit
seiner Aussage dahingehend gelangt, daß der Betrachter
zu einer direkten Wahrnehmung dieses Phänomens ge-
zwungen wird. Dies ist erst möglich geworden, da er das
Prinzip der Wirklichkeitsbetrachtung nicht nur in Frage

stellte, sondern umkehrte. Wir haben es nicht mehr mit
einer klassischen, perspektivischen Sicht zu tun, sondern
mit einer neu zu definierenden Wirklichkeit.
Steht der Betrachter direkt unter der Figur im Zentrum
der
Installation, ist er gezwungen, sich dieser ungewohn-
ten Räumlichkeit zu stellen.

Die Nähe des Betrachters zur verletzten Figur bedingt eine
Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Verletztheit
des heutigen Menschen, wirft Fragestellungen auf, die zur
Klärung von Widersprüchen beitragen können. In eine
unbekannte Empfindung gestoßen tritt für denBetrachter

eine Irritation seiner Wahrnehmungsfähigkeit ein, eine
Irritation des Bewußtseins.

Gerade in dieser Gesellschaft, die in vielen Bereichen auf
Abstumpfung und Fragmentierung angelegt ist, wo billige
Gefühlssurrogate der Unterhaltungsindustrie und der
Werbung ein Klimader Ignoranz schaffen, sollte es der

Kunst erlaubt sein, ein verschärftes Bewußtsein für die
Wirklichkeit zu schaffen.
KRAUSEKRAUSE´s Plastiken sind in diesem Kontext
zu
begreifen, bilden sie nicht zuletzt eine geradezu paradig-
matische Darstellung unserer Zeit.

Bedingt durch die Dimensionen der Plastiken ist eine be-
sondere Eignung für den öffentlichen Raum gegeben, womit
ein weiteres Charakteristikum angesprochen ist.

In den vorangegangenen Betrachtungen ist wiederholt ein
zentrales Problem der Plastik des 20. Jahrhunderts ange-
sprochen worden: der Raum.
Plastiken haben in der Tradition natürlich immer mit dem
Raum zu tun gehabt, im Kontext zu KRAUSEKRAUSE´s
Arbeiten stellt sich die Frage nach dem Raum jedoch neu.

Seit dem 19. Jahrhundert wird von der Kunsttheorie in
besonderem Maße das Verhältnis des plastischen Gebil-
des zum Raum als Kernproblem erkannt. Die Frage
und
damit auch der Anspruch an die Plastik wurde neu formu-
liert. Nicht mehr das philosophische Wertsystem steht
im Vordergrund, sondern die Frage richtet sich an den

Betrachter und das Gegenüber: die Plastik im Raum.

Dadurch wurde der Vorgang des Sehens problematisiert -
wie eine Plastik zu sehen ist, die Anschauung wird zum
Ausgangspunkt ästhetischer Reflexion.

KRAUSEKRAUSE´s Arbeit stellt in diesem spezifischen
Kontext einen vorläufigen Höhepunkt dar, denn nicht nur
die bildhauerische Praxis, sondern auch die kunsttheore-

tische Rezeption ist um eine wichtige Komponente erweitert.

Düsseldorf im Januar 1988

Hubert Begasse
Kunstwissenschaftler
Universität Paris-Sorbonne

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